Wikipediazitate, ja oder nein?

Im wissenschaftlichen Bereich besteht keinerlei Konsens über den Umgang mit dem Projekt Wikipedia. Während seine Initiatoren und viele Benutzer die Vorteile der Plattform in der Verbreitung von frei zugänglichem Wissen sehen und es so als Teil einer digitalen Aufklärung verstehen, überwiegt auf anderer Seite – meist im wissenschaftlichen, respektive im didaktischen Bereich – die Kritik an der unzureichenden Qualitätskontrolle und am Plagiieren. In der Diskussion darf aber nicht vergessen werden, dass Wissen in einem sozialen Feld geschaffen wird, in dem bestimmte Machtverhältnisse herrschen und wo Strukturen der Wissensgenerierung existieren, wirken und reproduziert werden, dass außerdem der ambivalente Begriff „Wissen“ in vielen „Wissens“-Bereichen wie den Geisteswissenschaften keiner objektiven Überprüfung unterzogen werden kann. Das Killer-Argument von seiten der Verteidiger althergebrachter Wissenscontainer und des Peer-Review-Betriebs lautet, dass die Überprüfung von Informationen auf Wikipedia nicht in professionellen Händen liegt. Doch wer ist in der Lage zu beweisen, dass der interessierte Autodidakt, der an einem Wikipediaartikel schreibt, sich in seinem Fachgebiet weniger auskennt als sein akademisch zertifizierter Zeitgenosse?
Es ist unfraglich eine Stärke der Wissenschaft, dass sie Regeln und Methoden entwickelt hat, die in der Welt der Dilettanten nicht angekommen sind. Trotzdem schützt ein Titel nicht vor Irrtum oder der subversiven Darstellung von Sachverhalten, und somit einer Gefährdung der geforderten sachlichen Ausgewogenheit.
Es bleibt für mich fraglich, ob die Hochschulen mitsamt ihrer gesellschaftlichen Position durch Wikipedia in Gefahr gebracht werden. Man könnte von den vorhandenen Mängeln profitieren, und eine Entwicklung hin zu einem neuen Begriff von Wissen zulassen, in dessen Rahmen das ständige Hinterfragen des Gegebenen gefordert ist. Da sich Wikipedia nicht abschalten lässt, müssen Hochschulen es als ein wichtiges Werkzeug integrieren und den Studenten nachdrücklich dazu raten, sich des Entstehungsprozesses, der zu „Wissen“ führt, bewusst zu werden. Nie entsteht Wissen außerhalb jeglicher Hierarchien und Machtverhältnisse, und diese beeinflussen die Tonart.

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